Der FC Bayern München geht optimistisch in die neue Saison
Titelverteidiger FC Bayern München. Fans, Medien und Experten erwarten wieder eine starke Saison der Bayern. Vieles spricht dafür, dass das zweite Jahr von Trainer Louis van Gaal tatsächlich noch attraktiveren Fußball bieten wird.
Nachdem der FC Bayern im Vorjahr Meisterschaft und Pokal holte und bis ins Finale der Champions League vorstieß, gilt er natürlich in dieser 38. Bundesligasaison als heißester Anwärter auf die Meisterschale. Zwar ist die Vorbereitung durch den verspäteten Trainingsbeginn der WM-Fahrer alles andere als optimal, doch in München geht man damit relativ gelassen um. Man weiß, wie stark man ist. Vielleicht gerät der Saisonstart etwas holprig, doch niemand zweifelt ernsthaft daran, dass die Bayern wieder eine führende Rolle in der Bundesliga spielen werden.
Transfers
Der FC Bayern verzichtete bislang auf große Neueinkäufe. Toni Kroos kam aus Leverkusen zurück, Breno aus Nürnberg, David Alaba erhielt einen Profi-Vertrag, mit Rouven Sattelmaier kam ein junger Keeper aus Regensburg, der vorerst bei den Amateuren eingesetzt werden soll. “Ich glaube, dass die Mannschaft weiter ist als im Vorjahr. Die Spieler haben verinnerlicht, was wir wollen, jeder weiß, was er machen muss. Das ist besser, als noch weitere Spieler zu kaufen und vielleicht Unruhe reinzubringen.”, sagt Trainer Louis van Gaal, der eher noch Spieler abgeben will, um den Kader auf eine von ihm als optimal angesehene Größe von 22 bis 23 Spielern zu bringen. Gegenwärtig umfasst der Kader 26 Spieler. Gehen könnte José Ernesto Sosa (Vertrag bis 2011), dem aufgrund der übergroßen Konkurrenz im Mittelfeld wenige Chancen auf eine Zukunft in München gegeben werden. Gleiches gilt für Andreas Ottl (ebenfalls Vertrag bis 2011), der sich jedoch unbedingt durchsetzen möchte. Auch Edson Braafheid dürfte ein Wechsel nahe gelegt worden sein, er hat sogar noch einen bis 2013 datierten Vertrag mit den Münchnern.
Der Trainer
Louis van Gaal formte in seinem ersten Jahr eine Mannschaft, die sehr guten Fußball zeigte. Zwar hat der Holländer eine sperrige Art und wirkt oftmals überheblich gegenüber den Medien, denen er gerne fußballerische Inkompetenz bescheinigt, aber am Ende gab ihm der Erfolg Recht. Das Team profitiert von van Gaal. Der gesamte FC Bayern kann sich glücklich schätzen, diesen absoluten Fußballfachmann, der auch sehr menschliche Seiten aufweist, engagiert zu haben. Louis van Gaal verfügt über sehr präzise Vorstellungen und kann diese seinen Spielern offenkundig auch vermitteln. Nichts geht ihm über die Werte Ordnung und Disziplin. Basis ist das Passspiel: Van Gaal fordert harte, sauber gespielte Flachpässe innerhalb eines Positionsspiels mit klar definierten Rollen. Das Resultat: “Die 90 Minuten verwandeln sich für die Gegner in ein traumatisches Hinterherrennen. Der Ball ist immer schon weg, wenn man den Zweikampf sucht.“ (Chr. Biermann) Louis van Gaal koordiniert einen großen Trainerstab, zu dem neben Andries Jonker, Jos van Dijk und Max Reckers noch zwei weitere Holländer gestoßen sind: Frans Hoek als Torwarttrainer und Marcel Bout als Spiel-Analyst.
Die Mannschaft
Die Erfolge der vergangenen Saison gründete sich vor allem darauf, dass der FC Bayern eine Mannschaft aufs Feld schickte, die diese Bezeichnung auch verdiente. Im Idealfall weiß jeder, was er innerhalb des Kollektivs zu tun hat. Jeder ist jederzeit für das gesamte Spiel verantwortlich – Betrokkenheid, wie es van Gaal nennt. Stürmer arbeiten für die Verteidigung und umgekehrt. So ackert die einzige Spitze im 4-4-1-1-System bei Ballbesitz des Gegners viel nach hinten, was van Gaals Konzept von offensivem Verteidigen entspricht. Mittelfeld und Verteidigung verschieben lehrbuchreif, alle elf Spieler arbeiten für den Ballgewinn. Egal an welcher Stelle des Platzes – alle Mannschaftsteile kriegen es hin, immer wieder Überzahlsituationen zu schaffen und das Spiel zu kontrollieren. Durch eine hohe Ballbesitzquote und auch durch Passspiel nach hinten wird der Gegner gezwungen, ständige Positionswechsel zu vollziehen und viel zu laufen, wodurch in seinen Reihen immer wieder Unordnung entsteht, die dann von den Bayern genutzt wird, um gefährlich in Tornähe zu kommen.
Die Offensivabteilung
Im modernen Fußball entscheidet die Herrschaft über den engen Raum in der Mitte des Feldes über Sieg oder Niederlage. Dort hat der FC Bayern mit Bastian Schweinsteiger und Mark van Bommel zwei strategisch exzellente Spieler, wobei insbesondere der technisch brillante Schweinsteiger mit Raum- und Ballgefühl glänzt, während van Bommel dabei der Sechser ist, der in starken Phasen des Gegners auch einmal mit Zweikampfhärte arbeitet. Beide Sechser halten sehr viel Druck von der Verteidigung fern und schaffen in der Offensivbewegung ständig neue Situationen, die den Gegner permanent unter Druck halten. Beim FC Bayern der abgelaufenen Rückrunde hatte man das Gefühl, das jeder Spieler voll auf Angriff spielte. Jeder übernahm Verantwortung nicht nur für das Spiel nach hinten, sondern auch fürs Offensivspiel.
In vorderster Reihe sind es Spieler wie Thomas Müller, Miroslav Klose, Ivica Olić und natürlich Franck Ribéry und Arjen Robben, die durch ihre besondere fußballerische Klasse für die Tore sorgen. Van Gaal hat Stürmer, die mit hoher Intensität Pressing spielen können oder sich, je nach Spielsituation, intelligent zurückziehen, um den Gegner rauszuziehen und ihn spätestens an der Mittellinie in Probleme zu bringen und zu Ballverlust zu zwingen. Der Holländer kann somit nahezu jede Offensivvariante wählen. Er hat die Stürmer dazu und mit Ribéry und Robben zwei extrem starke Außen. Was im deutschen Fußball lange als undenkbar galt: Im offensiven linken Mittelfeld spielt ein Rechtsfuß, rechts ein Linksfuß. Ribéry und Robben flanken selten; der Ball wird zumeist über Tempodribblings und Kombinationen in den 16er gebracht. Und genau das ist der Fußball, der ohne einen Mario Gómez auskommt. Ob sich der Ex-Stuttgarter in seinem zweiten Münchener Jahr einen Stammplatz erspielen kann, wird maßgeblich von seiner Bereitschaft abhängen, mehr am Kombinationsspiel teilzunehmen. Besonders gespannt darf man in diesem Zusammenhang auf Toni Kroos sein. Aufgrund seiner spielerischen Klasse kann er der Zehner werden, der zusätzliche Kreativität ins Angriffsspiel der Bayern bringt.
Die Defensivabteilung
Während Angriff und Mittelfeld zu dem Besten gehören, was die Bundesliga und wohl auch der europäische Klubfußball zu bieten haben, tun sich in der Abwehr einige Fragen auf. Philipp Lahm wird weiterhin rechts verteidigen. Allein seine überragenden Defensivqualitäten garantieren, dass ein Arjen Robben sein mitunter riskantes Offensivspiel voll entfalten kann. Anders sieht dies auf der linken Abwehrseite aus. Da der FC Bayern bislang auf die Verpflichtung eines international erfahrenen Linksverteidigers wie etwa Fábio Coentrão von Benfica Lissabon verzichtete, scheint der junge Diego Contento zunächst gesetzt; es würde seine erste Profi-Saison als Stammspieler. Ob er dieser Aufgabe dauerhaft gewachsen ist, bleibt offen. Das Potential dazu hat er allemal. Fragen wirft darüber hinaus die Besetzung der Innenverteidigung auf. Zu erwarten ist, dass Holger Badstuber endgültig in die Innenverteidigung rückt und van Gaal perspektivisch auf den noch verletzten Breno baut. Beide sind jung und lernfähig und versprechen vor allem in der Spieleröffnung mehr Dynamik und Präzision als Daniel van Byuten und Martín Demichelis, die im vergangenen Jahr nicht restlos überzeugten. Van Gaals System ist, wie oben bereits angesprochen, darauf angelegt, die eigene Abwehr durch geordnetes Positionsspiel mit frühem Druck auf den ballführenden Gegner zu entlasten, so dass es erst gar nicht zu gefährliche Situationen in der eigenen Hälfte kommt. Insofern braucht er zwar Innenverteidiger, die ihre klassische Rolle solide ausfüllen, sich jedoch vor allem für einen schnellen und präzisen Spielaufbau verantwortlich fühlen.
Hinter ihnen wird Hans Jörg Butt im Tor stehen. Der Oldenburger ist im Spätherbst seiner Karriere in München heimisch geworden und spielt seine wohl letzte Saison, bevor er die Fußballstiefel an den Nagel hängt und in die Jugendarbeit des FC Bayern wechselt. Neben ihm reifen mit Thomas Kraft und Rouven Sattelmaier Nachwuchskeeper heran, die bereits jetzt in der Lage sein sollten, jederzeit Verantwortung zu übernehmen.
Die Bank
Der FC Bayern wird in drei Wettbewerben spielen und zudem reihenweise Abstellungen für Länderspiele leisten müssen. Dies erfordert eine gut besetzte Bank, die man mit Spielern wie Hamit Altintop, Danijel Pranjić, Andreas Ottl, Anatoliy Tymoshchuk, David Alaba, José Sosa oder Edson Braafheid zweifellos hat, selbst wenn einige von ihnen noch abgegeben werden sollten. Van Gaal baut auf einen schlanken Kader, um im Training intensiv arbeiten und größere Unzufriedenheiten bei den Ergänzungsspielern vermeiden zu können. Sollte es zu personellen Engpässen kommen, wird sich der Holländer bei der Zweiten Mannschaft bedienen. Dort ist Hermann Gerland nach einem Jahr an der Seite von van Gaal wieder Chef. Beide verstehen sich blendend und werden eine noch engere Verbindung zwischen Profis und Nachwuchs garantieren.
Der Klub und sein Umfeld
Erfolg macht sexy. Der attraktive, konsequent offensiv ausgerichtete Fußball hat in der abgelaufenen Saison nicht nur die Bayernfans, sondern auch die Medien und andere Fußballliebhaber begeistert. Das Image des FC Bayern ist ernorm gewachsen – und dies nicht erst seit den diesjährigen unvergesslichen Feierlichkeiten auf dem Marienplatz. Dass der Rekordmeister kaum noch negative Schlagzeilen macht, liegt zum einen an der Tatsache, dass man mit Louis van Gaal wieder einen Trainer hat, der fachlich so stark ist, dass er seine Vorstellungen gegenüber den Großkopferten Uli Hoeneß, Karl Heinz Rummenigge, Paul Breitner und Franz Beckenbauer ohne größere Konflikte durchsetzten kann. Daneben war es sehr wichtig, dass die Umstrukturierungen in der Vereinsführung reibungslos verliefen. Uli Hoeneß wechselte ins Präsidentenamt, sein Nachfolger Christian Nerlinger genießt das absolute Vertrauen der Bosse und profiliert sich in ruhiger und sachlicher Art allmählich als Top-Manager im deutschen Fußball. Zudem sind die Bayern wirtschaftlich kerngesund; erst jüngst verkündete man einen neuen Umsatzrekord jenseits der 300 Mio. Euro-Marke. Jedes Heimspiel ist ausverkauft, und der lästige Stadion-Konflikt mit den 60ern scheint endgültig ausgestanden.
Saisonziele, Prognose
Alles andere als der Gewinn der Meisterschaft würde in München mit Enttäuschung hingenommen werden. 15 von 18 Bundesligatrainer sehen den FC Bayern als heißesten Titelanwärter, und tatsächlich muss man Louis van Gaal zustimmen, wenn er sagt: “Ich glaube, dass die Mannschaft weiter ist als im Vorjahr. Sie wissen exakt, was wir wollen. Das ist verinnerlicht. Ich denke, dass wir noch einen Schritt machen können.” Die MAG-Prognose kann daher nur lauten: Meister wird der FC Bayern.