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Beim FC Bayern brennt der Baum!
Manuel Neuer (36), der nach seinem Ski-Unfall mit einem Beinbruch bis mindestens zum Sommer ausfällt, meldete sich am Freitag in einem SZ-Interview zu Wort und kritisierte die Entlassung des Torwarttrainers Toni Tapalovic (42) harsch: „Ich habe das überhaupt nicht verstanden. Mich hat das richtig umgehauen.“
Es sei eine „große Enttäuschung“ gewesen, sagte Neuer: „Das hat mit dem Menschlichen zu tun, dem Umgang mit einem verdienten Mitarbeiter: Wir wollen als Bayern München anders – eine Familie – sein. Und dann passiert etwas, das ich so hier noch nicht erlebt habe.“ BamS sprach mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic.
BILD am SONNTAG: Herr Salihamidzic, Neuer spricht im Interview davon, die Entlassung von Tapalovic, die am 23. Januar ausgesprochen wurde, habe ihm „das Herz herausgerissen“, als er „am Boden lag“. Verstehen Sie diese Reaktion?
Hasan Salihamidzic (46): Ich verstehe, dass Manuel persönlich betroffen ist. Aber von ihm, zumal als Kapitän, hätte ich ein anderes Verhalten erwartet. Die für uns auch menschlich schwierige Entscheidung Tapalovic hatte in der Sache überhaupt nichts mit Manuel zu tun, und das haben wir ihm erklärt.
Das Interview klingt wie eine Anklage an den Klub, soll zudem nicht der Pressestelle des FC Bayern zur Autorisierung vorgelegt worden sein. Philipp Lahm bekam für den gleichen Fall einst eine Geldstrafe von 50.000 Euro. Darf Neuer mit ähnlichen Konsequenzen rechnen?
Wenn es Konsequenzen gibt, werden wir darüber zuerst mit Manuel selbst sprechen. Die Enttäuschung, die er wegen Tapas Freistellung beschreibt, die herrscht auch bei uns, weil Manuel seine persönlichen Interessen hier über die Interessen des Klubs gestellt hat. Aber wir werden das intern vernünftig mit ihm besprechen.
Uli Hoeneß vertrat im „Doppelpass“ die Meinung, dass Neuer trotz seines leichtsinnigen Ski-Ausflugs keine finanziellen Einbußen in Kauf nehmen solle. Gab es dazu schon ein Gespräch?
Nein.
Ihr Vorstandschef Oliver Kahn hat sich ebenfalls kritisch geäußert und sagte, das Interview von Neuer werde „weder ihm als Kapitän noch den Werten des FC Bayern gerecht“, zudem seien seine Aussagen zur Unzeit gekommen, „weil wir vor ganz wichtigen Spielen stehen“. Was bedeutet das für die Gespräche mit Neuer?
Oliver hat das Interview in seinen für den FC Bayern relevanten Teilen sehr richtig eingeordnet. Was das bedeutet? Dass wir ein sehr wichtiges Thema mehr mit Manuel zu klären haben.
Können Sie etwas zu Neuers Heilungsverlauf nach dessen Beinbruch sagen?
Wenn man mit den Ärzten spricht, ist die klare Aussage, dass sich Manuel auf einem guten Weg befindet. Er wurde sehr, sehr gut operiert, die Erstversorgung war perfekt. Das ist schon die halbe Miete.
Damit zur gerade geschlossenen Wintertransfer-Phase: Sind Sie eigentlich froh, dass der Isco-Deal bei Union Berlin geplatzt ist? So haben Sie mit João Cancelo den spektakulärsten Wechsel zur Rückrunde vorzuweisen …
Auf keinen Fall! Wir freuen uns natürlich, dass Cancelo jetzt ein Bayern-Spieler ist. Wir hätten es aber auch gut gefunden, wenn der Transfer von Isco zu Union zustande gekommen wäre. Auch ein Spieler wie Isco wäre eine Werbung im Ausland für die Bundesliga gewesen und hätte die Attraktivität erhöht.
So bleibt der Transfer-Paukenschlag des Winters Cancelo. Wie lange waren Sie an dem Star von Manchester City dran?
Nachdem der Transfer in trockenen Tüchern war, haben wir uns tatsächlich noch mal überlegt, wie lange wir uns schon mit João beschäftigen. Wir kamen auf über vier Jahre! Ein Transfer war aber vorher nie möglich. Entweder war die Position bei uns gerade besetzt, oder wir hatten kein Geld dafür. Am Ende hat sich unsere Hartnäckigkeit ausgezahlt.
Wie genau lief das ab?
Aus vielen Gesprächen mit seinem Agenten Jorge Mendes wusste er, wie sehr ich den Spieler schätze. Als klar war, dass Cancelo aufdem Markt ist, bekam ich am vergangenen Sonntag das Signal. Da beide Seiten schon viel über die gegenseitigen Vorstellungen wussten, ging der Deal sehr schnell.
Cancelo hat eine Ausstiegsklausel für den Sommer von 70 Millionen Euro. Ist so eine Summe für den FC Bayern derzeit denn überhaupt drin?
Wir spielen da mit offenen Karten. Das Wichtigste ist erst mal, dass João sich in München wohlfühlt und in der Rückrunde performen kann. Wir haben ihm aber auch klar gesagt, dass diese Summe in den nächsten Jahren für uns schwer vorstellbar ist. Ich habe aber auch gelernt: Wenn alle Seiten unbedingt eine gemeinsame Lösung wollen, kann man das am Ende auch managen. Er weiß, dass er seit Jahren einer unserer Wunschspieler ist.
Die Agentur von Cancelo betreute bis vor Kurzem noch Cristiano Ronaldo. Der Superstar soll Mendes mit der Forderung unter Druck gesetzt haben: „Bayern oder Chelsea – oder wir machen Schluss!“ Jetzt können Sie es ja verraten: Wie real war Ronaldos Wechselwunsch wirklich?
Wir haben uns über Ronaldo unterhalten. Aber ich habe Jorge Mendes klar gesagt: Das ist für uns nicht machbar. Das Gesamtpaket passt weder finanziell und auch nicht sportlich zum FC Bayern. Noch passt es zu unserer Philosophie und Kadergestaltung.
Sie haben Daley Blind vertragsfrei bekommen, zahlen auch keine Leihgebühr für Cancelo. Sie müssen über Ihre Wintertransferarbeit ziemlich glücklich sein ...
Ich muss grundsätzlich sagen: Aktivitäten in der Wintertransferphase sind eigentlich für uns untypisch. Allerdings hat uns dieWM sehr hart getroffen. Lucas Hernández kam schwer verletzt zurück, „Nuss“ Mazraoui erwischte es mit seiner Herzbeutel-Entzündung nach einer Corona-Erkrankung. Mit Daley Blind hatten wir das Glück, einen Spieler dieser Klasse zu holen, der nicht nur vertragslos, sondern auch total heiß auf Bayern war. Dass Cancelo ohne Leihgebühr geklappt hat, ist Netzwerk, aber natürlich auch Glück.
In der Bundesliga hatte der FC Bayern nach der Winterpause bereits seine zweite Sieglos-Serie in dieser Saison. Wie sehen Sie die Entwicklung von Julian Nagelsmann in seiner zweiten Bayern-Saison?
Julian und ich tauschen uns permanent aus, ich verfolge seine Entwicklung quasi täglich. In den drei sieglosen Spielen zum Jahresstart erlebte ich ihn ruhig, souverän und analytisch. Die Beziehung zu den Jungs ist intakt. Ich kann sagen: Wir sind wirklich glücklich, dass wir Julian haben. Für uns ist die Zusammenarbeit kein Jahresprojekt, sondern wir sehen in ihm einen Trainer, mit dem wir über Jahre hinweg planen und Erfolge haben wollen. Er ist unfassbar ehrgeizig. So einen ehrgeizigen jungen Trainer gibt es kaum noch einmal auf der Welt.
Was denken Sie, wenn Sie hören, dass der FC Chelsea im Winter 330 Mio. Euro für neue Spieler ausgab, insgesamt in dieser Saison 610 Mio. Euro?
Das klingt schon verrückt. Für uns sind solche Summen unvorstellbar. Auch wenn wir hin und wieder die Möglichkeit haben, einen Topspieler in die Bundesliga zu holen, müssen wir genau rechnen, wie wir das refinanzieren können. Über 600 Millionen Euro zu refinanzieren, ist für den FC Bayern schlichtweg nicht möglich. Wir wissen, dass wir finanziell mit Klubs wie Chelsea nicht mithalten können. Aber genauso wissen wir, welche Attraktivität der FC Bayern mit seiner Spielweise, seinen Erfolgen, seiner Geschichte und der Umgebung auf Spieler ausübt.