Display MoreDu unterschlägst dennoch, dass es auch Menschen trifft, die jung, sportlich und gesund sind, die sich gut ernähren und die nicht zur statistisch gefährdeten Gruppe gehören. Diese sterben zwar meistens nicht, können aber über lange Zeit an einer schweren Lungenentzündung erkranken, wie diese 33 aus NYC. Und selbst in diesem Artikel ist Deutschland wieder als Vorbild in Bezug auf das Gesundheitssystem erwähnt.
Die abstrakten Vergleiche, Menschenleben gegen wirtschaftlichen Schaden aufzurechnen, der in der Zukunft möglicherweise wieder Menschenleben fordert, was wir indes nur projizieren können, die finde ich zynisch. Meine Mutter ist fast 80, und ihr geht es bestens. Sie führt ein glückliches Leben und das kann vielleicht noch 20 Jahre so sein. Das Leben keines jüngeren Menschen hierzulande oder in einem Land der dritten Welt, kann man in ein direktes Verhältnis zu dem Leben meiner Mutter setzen, sollte man sie durch eine zu laxe Öffnungspolitik einem Hochrisiko aussetzen. Und zynisch wäre es auch, zu behaupten, sie solle zuhause bleiben, weil das auch all jene betrifft, die Vorerkrankungen haben, für die sie vielleicht nichts können, die aber noch jung sind.
Es ist toll, dass wir momentan in D nur 16.000 aktive Fälle haben. Aber dann muss man sich doch auch mal vor Augen führe, warum das so ist. Und warum in den USA genau das Gegenteil passiert. Weil dort das Virus verharmlost wird; weil es viel zu wenige Tests gibt; weil sich viele Ignorante und schlecht Informierte gegen jegliche Maßnahmen stemmen und sich in Horden ohne Abstand in Kaufhäusern tummeln; weil republikanische Gerichte im Namen der Wirtschaft Gouverneure von Bundesländern in Bezug auf Kontaktsperren überstimmen und in der nächsten Minute Bars öffnen, in denen sich das Virus verteilt.
Manche Argumente hier hören sich an, als hätten sie gerne US-amerikanische Verhältnisse.
Ich unterschlage das nicht und habe auch nie das Gegenteil behauptet. Du solltest dir zunächst mal darüber im Klaren werden, was Statistik bedeutet. Wenn wir sagen, dass die Risikogruppe ältere und / oder vorerkrankte Menschen sind, heißt das nicht, dass es nur diese trifft, sondern einfach nur, dass die Wahrscheinlichkeit deutlich höher ist. Von daher ist dein Verweis auf den 33 Jährigen einfach nur eine Bestätigung dessen, was ich geschrieben habe. Oder, um es in deinen Worten zu machen, der Versuch, einen Sachverhalt zu relativieren.
Außerdem zeigt dein Verweis auf deine Oma, so menschlich und nachvollziehbar das ist, den ganzen Egoismus in dieser Debatte. Du stellst hiermit das Leben deiner Oma über das Leben eines anderen Menschen, der möglicherweise aufgrund der ganzen Corona-Maßnahmen in Krankenhäusern nicht die nötige Behandlung bekommen hat. Dass dies vorkommt, zeigen beispielsweise die Zahlen der AOK. Ich kann das auch anders ganz gut verdeutlichen: Wenn es für einen aus der Risikogruppe gefährlich ist, sich im Freien aufzuhalten, wo andere Menschen sind, sollen sich deiner Logik nach alle einsperren, damit die Wahrscheinlichkeit einer Infektion minimiert wird. Dieser Logik folgend dürfte niemand mit dem Auto unterwegs sein, wenn ich auf der Straße bin, weil ansonsten die Gefahr allgegenwärtig ist, dass ich durch einen Fehler eines anderen in einen (tödlichen) Unfall verwickelt werde. Um diese Wahrscheinlichkeit zu verringern, gibt es Verkehrsregeln, die du, um zu Corona zurückzukommen, auf die Verhaltensregeln abwandeln kannst.
Display MoreWas gibt es daran zu "verstehen", wenn er u.a. schreibt, in Schweden liegt die Zahl der Toten pro 1 Mio. Einwohner fast um die Hälfte unter der Zahl in Italien, obwohl dort sogar Ausgangssperren verhängt worden sind. Die Realität ist aber, dass in Schweden gerade eine umgekehrte Diskussion stattfindet wie bei uns, weil die Auswirkungen so gravierend sind.
Schweden liegt mittlerweile bei etwa 33,8 Toten pro 100.000 Einwohner, Deutschland bei 9,4 (Stand 14. Mai 2020). Das ist ein handfester Unterschied, und kein Guter für Schweden. Von der Herdenimmunität sind sie trotzdem genauso weit entfernt wie die anderen Länder. Und zudem ist doch noch gar nicht klar, ob es eine dauerhafte Immunität gibt.
Münchner Merkur: Schwedens Sonderweg in der Kritik
P.S.
Warum machst Du nicht einfach "Meine Frezze" zu deiner Signatur?
Ja, das habe ich geschrieben und das ist faktisch leider so. Italien hat pro Kopf eine höhere Anzahl von Toten als Schweden, obwohl komplett unterschiedlich in den verschiedenen Maßnahmen. Auch hier zeigt dein Vergleich zu Deutschland, das ich zudem mit keinem Wort erwähnt habe, einfach nur, dass eben viel mehr Einflussfaktoren für das regionale Infektionsgeschehen bestehen, als eben nur Maßnahmen, die in der Regel auf die Ausgangsbeschränkungen zurückgeführt werden. Denn der Logik folgend dürften die Zahlen der Toten pro Kopf zunehmend sein, je lascher diese Ausgangsbeschränkungen gewählt wurden. Das ist einfach nicht der Fall. Daher, und um nichts anderes drehte sich mein Beitrag, sind die Ausgangsbeschränkungen für sich genommen absolut kein Indikator, die die Effektivität jener Maßnahme in Bezug auf das Infektionsgeschehen beurteilen können.
Du solltest dir auch mal, wenn du die Vergleiche zur USA ziehst, auch das das dortige Sozial- und Gesundheitssystem anschauen. Daraus lassen sich wunderbare Indizien erkennen, wieso es bestimmte Bevölkerungsschichten trifft und andere eben nicht. Ebenso lässt sich dadurch auch sehr gut ableiten, wieso gerade New York mit seiner riesigen chinesischen Community und als eine der kulturellen Drehscheiben der Welt besonders stark betroffen ist.