Meines Erachtens sind Sichtweisen wie Deine egozentriert. Sie sind legitim und nachvollziehbar, aber unmaßgebend. Dieser Tage sagte Fußballjournalist Ronald Reng bei der Deutschen Welle, dass 3,5 Milliarden Menschen die WM verfolgen. Das sind mehr als je zuvor. Das Interesse am Fußball wächst global, die WM ist noch vor den Olympischen Spielen das erfolgreichste Unterhaltungsprodukt des Planeten.
Dass das Zuschauerinteresse in Deutschland und gegebenenfalls in wenigen anderen der westlichen Industriestaaten zurückgeht, mag so sein; das ist global betrachtet aber nicht relevant. Daher ist es auch keine Überraschung, dass kolportierte 207 von 211 Fifa-Mitgliedsstaaten Infantino bei der anstehenden Wiederwahl ihre Stimme geben wollen. Er liefert eben, was gewünscht wird: Umsatz. Das Wie ist den meisten Staaten völlig egal.
Die Fifa ist in dieser Hinsicht vergleichbar mit der katholischen Kirche: Viele in Deutschland raufen sich angesichts der Halsstarrigkeit des Vatikans die Haare. Aber weltweit brummt das Geschäft wie eh und je. Da ist die Meinung von einigen Millionen westlichen Katholiken einfach völlig irrelevant.
Ich habe ja extra geschrieben, dass ich nicht das Maß aller Dinge bin. Ich schildere nur mein persönliches Empfinden.
Von mir aus kann die FIFA auch 72 Mannschaften zur WM reisen lassen, ich kann dann nur für mich sprechen, dass ich noch weniger Fußball gucken werde. Dass das den Infantinos dieser Welt (sicher zu Recht) am Allerwertesten vorbeigeht - geschenkt. Für mich steht sportliche Qualität im Vordergrund und die zweifle ich halt an, wenn man alles immer weiter aufbläht. Es macht mich fußballmüde.
Man kann ja vielleicht mal schauen, wie Spieler wie de Bruyne oder van Dijk beispielsweise die Nations League sehen. Das sind nur zusätzliche Spiele. Auf das Befinden derjenigen, die das Ganze spielen müssen, wird ein Haufen gelegt. Hauptsache, die Kohle stimmt. Die Nations League bringt den Verbänden zig Millionen Euro - nur Bock haben viele Spieler auf diese wahnsinnig engen Terminkalender nicht mehr. Ich weiß nicht, ob das die Richtung ist, in die sich der Fußball entwickeln sollte. Aber ich werde das nicht aufhalten, das ist mir schon klar. Ich kann für mich daraus nur Konsequenzen ziehen.