Posts by der_don

    Einer der ganz großen Typen des Fußball, dazu immer sehr kurzweilig (und das ohne große Alkohol- und Frauenexzesse - sehr ungewöhnlich für die Insel...).
    Seine Konstanz, seine Ergebnisse und seine Zitate werden immer Referenzen bleiben.
    Riesen Respekt!

    Die Seite Drei, 23.04.2013


    Ermittlungen gegen Uli Hoeneß


    Drama, Baby
    ===========


    Von Andreas Burkert,Alexander Gorkow, Hans Leyendecker


    Der bayerische Barock ist seit Königszeiten berühmt dafür, dass er keine halben
    Sachen macht. Der Weg zum Himmel ist mit wenig ausgewogenen Urteilen
    gepflastert.


    Im Freistaat, in München zumal, sind die Dinge stets extrem: Die Stadt ist
    extrem schön und extrem teuer, Staatsoper und Staatsschauspiel sind extrem
    spitze, die Bombe von Schwabing, die jahrzehntelang unter einer extrem
    berüchtigten Partykneipe ruhte, hatte eine so extreme Wucht, dass im
    vergangenen Sommer bei der (mehr oder weniger) kontrollierten Sprengung in
    Teilen Altschwabings die Fenster aus den Rahmen flogen. Und, ach ja, der
    Fußball: der Zweitligaverein 1860 München - in der Mangel einerseits eines
    nervösen und grünen Lokalpolitikers namens Josef "Hep" Monatzeder ("Null Komma
    Josef"), andererseits eines recht undurchsichtigen Investors aus Jordanien
    namens Hassan Ismaik; selbst das Nichts ist hier monströs, in diesem Fall
    monströs lustig, denn die 60er sind eine einzigartige Posse von einem Verein.


    Hingegen, nur ein paar hundert Meter weiter im Süden der Stadt: Hier
    residiert der FC Bayern als eine Art Kathedrale des modernen Weltfußballs. Ein
    pumperlgsunder, milliardenschwerer, in der Bundesliga beängstigend
    konkurrenzloser Verein, der nun die nicht einmal nur theoretische Chance hat,
    den FC Barcelona aus der Champions League zu werfen. Die Bayern stünden dann
    wieder im Finale, das sie im vergangenen Jahr verloren, und zwar natürlich
    extrem unglücklich, und ebenso natürlich - Drama, Baby! - daheim im eigenen
    Stadion.


    More Drama?


    Bitte sehr!


    Das Erstaunlichste an der Erscheinung des schon zu Lebzeiten legendären Uli
    Hoeneß ist nach heutiger Kenntnis der Umstand, dass es der 61 Jahre alte
    Unternehmer und FC-Bayern-Präsident offenbar versteht, mit seinen eigenen
    Widersprüchen zu leben.


    Er predigt die Lehre des Kapitalismus und ist gleichzeitig fürsorglicher als
    ein Herz-Jesu-Sozialist. Herz und Verstand, Bauch und Kopf befinden sich bei
    ihm nicht selten im Widerstreit, und die Sache mit der Steuerhinterziehung, die
    in diesen Tagen für das ultimative Drama sorgt, ist rational kaum zu erklären:
    Rund drei Millionen Euro soll Uli Hoeneß dem Fiskus vorenthalten haben - als
    wäre er ein normaler, reicher Raffzahn, der die Mittelschicht unter der
    Steuerlast bluten lässt und sich selbst aus dem Staub macht. Seitdem
    Steuerfahnder die moralischen Stellvertreter der Gesellschaft geworden sind,
    wird die Steuerhinterziehung nicht mehr als Nebensache abgetan, und dass das
    richtig ist, würde vermutlich auch Uli Hoeneß bestätigen.


    Das nun hat mit dem bayerischen Barock wenig zu tun, denn Steuerhinterziehung
    im großen Stil ist in ganz Deutschland leider: stinkgewöhnlich. Allerdings ist
    in der Stadt der Extreme der Himmel ja tatsächlich blauer und das Licht
    luzider. Vielleicht sieht man die Welt in ihren wirklich unglaublichen
    Widersprüchen hier also noch etwas klarer.


    Während Uli Hoeneß dem Fiskus Geld vorenthielt, spendete er, so schätzen
    Freunde, jedes Jahr zwei Millionen Euro an Einrichtungen wie die Arche Berlin
    oder an Kinderhilfswerke. Für einzelne Vorträge erhält er bis zu 30 000 Euro,
    und er macht den Veranstaltern vorher klar, dass er nur komme, wenn der Betrag
    in voller Höhe gespendet werde. Für Werbeauftritte erhält er Hunderttausende
    Euro, auch dieses Geld wird stets gespendet. Falls es in diesem Jahr noch, wie
    eigentlich geplant, ein "Uli-Hoeneß-Spiel" geben sollte, wird er auch diese
    Einnahmen, die auf zwei bis drei Millionen Euro geschätzt werden, natürlich
    spenden.


    Es war auch Uli Hoeneß, der im September 2009 vor einem Bundesligaspiel in
    der Allianz-Arena eine bewegende Rede hielt, nachdem Dominik Brunner an einer
    Münchner S-Bahn-Haltestelle zu Tode geprügelt worden war. Viele der 70 000
    Besucher hatten damals Tränen in den Augen, denn hier fand jemand nach Tagen
    der üblichen Betroffenheitsfloskeln aus der Politik plötzlich die richtigen
    Worte: Da war echte Herz-Jesu-Wut zu spüren, viel Empathie und große
    Verantwortung. Es ging da um den Einzelnen, die Gemeinschaft, und was passiert,
    wenn der Einzelne in der Gemeinschaft wegschaut statt hinzuschauen. Hoeneß war
    dann auch die treibende Kraft hinter der "Dominik-Brunner-Stiftung".


    Der größte aller großen Widersprüche des Uli Hoeneß dreht sich aber nun um
    das große Geld an der Börse.


    Jeder, der Hoeneß kennt, weiß, dass er stundenlang über Finanzgeschäfte reden
    kann. Einen Teil seines Vermögens, sagt er, habe er in Aktien investiert,
    allerdings in große Werte. Ein knackiger Hoeneß-Spruch lautet: "Das Zocken
    gehört verboten." Es könne doch nicht sein, hat er dem FachblattFocus Money mal
    erklärt, dass in Philadelphia die "Maul-und Klauenseuche" herrsche, "und
    deshalb in Japan die Schweinepreise explodieren. Das ist gaga." Die Regierungen
    müssten "solche irrwitzigen Spekulationen unterbinden, denn eine
    Selbstreinigung" werde es nicht geben.


    Der Anti-Zocker aber ist selbst ein ziemlich großer Zocker, und dieser
    Umstand ist noch schwerer zu erklären als die anderen schwer erklärbaren
    Widersprüche, die jetzt als Nachrichten im Fernsehen auftauchen. Es erscheint
    alles so wie beim Blaukreuzler, der zum Fusel greift. Hoeneß, gegen den die
    Staatsanwaltschaft nach einer Selbstanzeige wegen des Verdachts der
    Steuerhinterziehung ermittelt, könnte vielleicht einigermaßen nachvollziehbare
    oder nicht völlig unplausible Erklärungen zu seinem Fall abgeben. Aber er redet
    mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht über die Ermittlungen.


    Dennoch sind die Umrisse der Ermittlungen klar.


    Im Zocker-Jahr 2000, als die kokaineske New Economy schon als überreife
    Frucht am Baum hing, war die Welt eine andere. Es war der damalige Adidas-Chef
    Robert Louis-Dreyfus, der seinem Freund Hoeneß eine Art Spielgeld in der
    Schweiz zur Verfügung stellte. Dreyfus überwies fünf Millionen Mark zum Zocken
    an der Börse auf ein Konto bei der Vontobel Bank. Außerdem gab er Hoeneß eine
    Bürgschaft über 15 Millionen Mark. Umgerechnet zehn Millionen Euro
    Startkapital, das war sogar für den Ulmer Metzgerssohn Hoeneß, der mit Anfang
    dreißig Wurstfabrikant geworden war und auch beim FC Bayern München als Manager
    viel Geld verdiente, eine verdammt große Summe.


    Vermutlich 1994 war er Louis-Dreyfus erstmals begegnet. Man traf sich in
    Herzogenaurach, wo die Fußballschuh-Fabriken sind, und man verstand sich auf
    Anhieb prächtig. Louis-Dreyfus stammte aus einer sehr vermögenden Pariser
    Kaufmannsfamilie und hatte selbst ein Vermögen gemacht. Er war gerade
    Vorstandschef bei Adidas geworden, verkörperte Eleganz, Geldadel und
    Geschäftsintelligenz. Der Absolvent der Harvard Business School teilte mit
    Hoeneß die Leidenschaft für den Fußball. Er wurde bald größter Anteilseigner
    des französischen Erstligisten Olympique Marseille und war außerdem
    Vorstandsmitglied beim belgischen Erstligisten Standard Lüttich.


    Was Hoeneß besonders imponierte: Der Freund, der Milliardär wurde, gab sich
    unauffällig, normal.


    Uli Hoeneß hat einmal erzählt, wie er und Louis-Dreyfus nach Aachen fuhren,
    wo die führenden Sportartikelhersteller und die führenden Sportmanager aus
    aller Welt sich in einem Hotel austauschen wollten. An der Rezeption des Hotels
    fragte Louis-Dreyfus nach dem Saal, dem Versammlungsort. Beschrieben wurde ihm
    dann der Weg zum Aufenthaltsraum der Chauffeure. Das, so Hoeneß, habe Robert
    Louis-Dreyfus, der so leger gekleidet war, selten eine Krawatte oder Anzug
    trug, gefallen.


    Während Louis-Dreyfus Adidas sanierte und die Renaissance des ruhmreichen
    Unternehmens geräuschlos herbeiführte, trieb Hoeneß seine Bayern zu neuen
    Einnahmequellen. Neben dem Fußball hatten beide Männer eine Leidenschaft: die
    Börse. An der Wall Street kannte man Louis-Dreyfus als Zocker, der oft die
    richtige Witterung hatte. Anfang der 1990er-Jahre war er wegen eines Verstoßes
    gegen die Insider-Regelung von der USD-Börsenaufsicht zu einer Bußgeldzahlung
    in Höhe von 213 750 Dollar verurteilt worden. Das war damals eine Menge Geld.


    Sein Freund Hoeneß hielt sich bis dahin offenbar an die Regeln. 2001 oder
    2002, ganz genau lässt sich das bisher nicht rekonstruieren, konnte Hoeneß die
    zehn Millionen Euro an Louis-Dreyfus zurückzahlen. Dann zockte er weiter. Er
    verlor viel Geld, gewann viel Geld. Da war er nicht der Einzige. Selbst die
    Mittelschicht zockte damals. Jeder wollte was abhaben von dem Wahnsinn. Es lag
    damals ein bisschen F. Scott Fitzgerald in der Luft, nur sahen die Leute halt
    nicht so gut aus. Aber auch für viele Kleine war die Welt ein großes Kasino.
    Hoeneß hat noch immer in seinem recht kargen Rattanmöbel-Büro einen alten
    Taschencomputer, auf dem er die Börsenkurse verfolgt. In den heißen Tagen
    damals vor dem 11. September 2001, sagte er mal, habe er "dreimal am Tag
    draufgeschaut und fünfmal mit der Bank telefoniert".


    War das echte Geld für ihn vielleicht virtuelles Geld? Monopoly? Ändert sich
    etwas am späteren Steuerbetrug, wenn einer nicht selbst das Geld in die Schweiz
    geschafft hat, sondern es einfach zur Verfügung gestellt bekam? Ist Geld für
    Warentermingeschäfte, Währungsspekulationen, Aktien anderes Geld? Stinkt es
    nicht?


    Hoeneß, der im Lauf seines Lebens zig Millionen Steuern zahlte, soll in den
    vergangenen zwei Jahrzehnten weit mehr als 50 Millionen Euro Steuern inklusive
    Solidaritätszuschlag an den Fiskus überwiesen haben. Aber er behandelte diese
    eigenen Millionen jedenfalls wie fremdes Geld, wie, eben: Spielgeld beim
    Monopoly. Und: Er verschwieg den Vontobel-Schatz. Dann kam 2007/2008 die große
    Finanzkrise, die schlimmer war als alle Wetten auf Schweinebäuche in Japan
    zusammen, und Hoeneß schaute nur noch alle paar Monate auf den Taschencomputer
    mit den neuesten Kursen. Erst mit der Einführung der Abgeltungssteuer 2009 -
    das war auch das Jahr, als Louis-Dreyfus starb - sollen Hoeneß' Kapitalerträge
    in der Schweiz vom Bankhaus Vontobel an den deutschen Fiskus weitergeleitet
    worden sein. Mag sein, dass er von diesem Zeitpunkt an dachte, alles gehe ja
    jetzt mit rechten Dingen zu.


    Wie jeder andere Steuerbetrüger ließ er Amnestien verstreichen, hörte nicht
    auf gute Ratschläge, und im Vorjahr setzte er dann alles auf das Zustandekommen
    des Steuerabkommens zwischen Deutschland und der Schweiz. Schon im Sommer 2012
    war eigentlich klar, dass das Abkommen am Widerstand der rot-grün regierten
    Länder im Bundesrat scheitern würde.


    Aber Hoeneß hoffte bis zuletzt.


    Dann ließ er von drei Spezialisten die Selbstanzeige formulieren, die
    automatisch das Ermittlungsverfahren auslöste. Weil es aber aus Sicht der
    Staatsanwaltschaft Merkwürdigkeiten gab, lief der Vorgang nicht so geräuschlos
    ab wie sonst: Hoeneß' Haus am Tegernsee wurde durchsucht. Falls die
    Selbstanzeige nun einen formalen Fehler aufweisen sollte, was man nicht
    ausschließen kann, gilt sie nicht. Uli Hoeneß wäre dann nicht mehr der gute
    Mensch. Sondern ein gewöhnlicher Steuerbetrüger, dem dann der Prozess gemacht
    würde.


    Es ist eine bayerische Welt, in der dieser mächtige Mann lebt. Sein Haus, das
    er auf einer Waldkuppe über dem Tegernsee bauen ließ, strahlt in
    Bauernhaus-Gemütlichkeit weder Protz noch Großmannssucht ab, sondern ein
    bisschen Folklore und vor allem Gemütlichkeit. Von irgendwoher klingt
    Blasmusik, es ist der Himmel auf Erden, vor allem für Familienhund Kuno, den
    Uli Hoeneß in einem berühmten Satz verewigt hat. Es gebe zwei Traumjobs:
    Trainer beim FC Bayern oder Hund bei Hoeneß.


    Es ist auch eine christlich-soziale Welt, eine Welt klarer Aufgabenteilungen
    und sozialer Verantwortung. Uli Hoeneß sorgte als Fußballprofi und Manager für
    das Einkommen, seine Frau Susi erzog die Kinder. Er brachte den Finanzhaushalt
    des FC Bayern in 30 Jahren so auf Vordermann, dass es heute in der Welt
    vielleicht noch ein, zwei Klubs gibt, die über ähnliche Umsatzzahlen, Erträge
    und Rücklagen verfügen. Sie organisiert den privaten Haushalt und erledigt die
    häuslichen Dinge des Alltags mit ähnlicher Gewissenhaftigkeit wie ihr Mann
    seine geschäftlichen Transaktionen. Wer im Hause Hoeneß zu Gast war, schwärmte
    von fabelhaft bürgerlicher Küche, viel Wärme, großer Offenheit und
    stundenlangen, kontroversen Diskussionen. Dabei war aus dem einst in der
    Republik verhassten und oft beißwütigen Bluthochdruckler vom FC Bayern über die
    Jahre ein vergleichsweise toleranter Zeitgenosse geworden, der bei Gesprächen
    mit Journalisten daheim oder in seinem Büro an der Säbener Straße seine - vor
    allem: politische - Unabhängigkeit zu betonen nicht müde wurde.


    Das war - als es noch Gut und Böse und rechts und links gab, als die
    Schwarzen noch für die Atomkraft waren und die Grünen gegen Kriegseinsätze -
    mal anders gewesen: Zeigte die CSU in Bayern auf Uli Hoeneß, so zeigte sie
    immer auch auf sich. Hoeneß, der mit 19 sein Lehramtsstudium abbrach, um
    Fußballprofi zu werden und seine glanzvolle Karriere schon mit 27 wegen einer
    Knieverletzung wieder aufgeben musste, fiel der Partei quasi in den Schoß,
    weshalb sich die Ministerpräsidenten Goppel, Strauß und Stoiber gerne seiner
    Nähe rühmten. Ein Linker ist aus Hoeneß inzwischen zwar nicht geworden, aber
    immerhin sympathisierte er sowohl mit Joschka Fischer wie auch erst kürzlich
    mit dem SPD-Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt in München.


    Wenn es bis vor wenigen Tagen für Uli Hoeneß noch eine ungeklärte,
    weltanschauliche Frage gab, dann diese hier: Ob sein Lebenswerk, der FC Bayern,
    am Dienstagabend den immer noch weltbesten Fußballverein, den mystischen FC
    Barcelona, schlagen wird.


    Am Montag nun ist Uli Hoeneß aufgewacht, nach einer sehr kurzen Nacht. Er hat
    sich in den Zeitungen und in den Nachrichten einen Überblick verschafft über
    die öffentliche Meinung. Man muss das eigentlich nicht erwähnen: Es geht ihm
    nicht gut, er leidet wie ein Hund. Daheim klingelt ständig das Telefon, und am
    liebsten würde er jetzt sehr gerne alles erklären, seinen: "Riesenfehler".
    Erzählen, wie er zumindest zuletzt sein Unrechtsbewusstsein verdrängt haben
    muss, weil er in den vergangenen vier Jahren auch in der Schweiz
    Abgeltungsteuer etwa auf Dividendengewinne gezahlt hat. Wie ihn jetzt die
    mutmaßlichen Phantasiesummen zur Weißglut bringen, auf die einige Medien sein
    Konto taxiert haben. Mehrere hundert Millionen Euro in der Schweiz? Das könnte
    Uli Hoeneß angesichts der Bilanzsumme seiner Wurstfabrik - Umsatz rund 50
    Millionen Euro - legal nicht verdient haben.


    Mauscheleien mit dem damaligen Adidas-Chef Louis-Dreyfus? Keine Belege. Aber
    wieso richtet jemand seinem Freund ein Konto mit einem Startkapital von 20
    Millionen Mark ein? Verrückte Welt.


    Nach jetzigem Kenntnisstand sind die Dinge womöglich so profan wie
    unheimlich: Hier hat einer, der das Herz am richtigen Fleck hat und weiß, was
    ein einfacher Angestellter arbeiten muss, um sich eine Jahreskarte beim FC
    Bayern leisten zu können, hier hat einer, der nie dem Archetypen des Bonzen
    entsprach, sein Konto in der Schweiz irgendwann selbst für ein Spielkonto
    gehalten. Dafür spricht, dass Uli Hoeneß zwar zockte, das Geld aber nie
    materialisierte, also nie mit den hinterzogenen Millionen Anschaffungen
    tätigte. So also kann ein mit Empathie ausgestatteter Mann auf dem Boden der
    Tatsachen stehen - und gleichzeitig abheben.


    Das nun ist eine Groteske mit Graubereichen, die man mit Uli Hoeneß, der in
    der öffentlichen Meinung bisher entweder "der Gute" oder "der Böse" war, noch
    nicht in Verbindung gebracht hätte.


    Vermutlich kaum wer bekam die Wucht des Uli Hoeneß in den vergangenen
    Jahrzehnten so ungefiltert zu spüren wie der Fußball-Kommentator Marcel Reif.
    Dem wollte der Emotionalist Hoeneß schon mal Stadionverbot erteilen, weil er
    durch Reif seinen FC Bayernon air geschmäht sah. Die Fehde beschäftigte den
    Boulevard nicht zu knapp.


    Heute, kann man sagen, sind die beiden sich in kritischer Zuneigung so weit
    zugetan, dass Reif am Montag am Telefon zu den sehr wenigen Menschen im nahezu
    hysterischen öffentlichen Diskurs gehört, die sich weigern, ein Urteil zu
    sprechen, geschweige denn, Hass und Spott über den Bayernpräsidenten
    auszuschütten. Reif sollte zu Jauch in die Sendung, er sollte zu Plasberg in
    die Sendung, er sollte zu Illner in die Sendung.


    "Aber was soll ich sagen?", fragt Reif. "Dass ich ratlos bin? Natürlich bin
    ich das."


    Dass Reif durch die Sache angefasst zu sein scheint, das liegt auch daran,
    dass er weiß, wie es ist, wenn du nicht nur kritisiert, sondern gejagt wirst -
    und sei es durch die ja nicht nur sogenannten User im Netz. Er sagt: " Viele
    von uns haben irgendwann mal begriffen, dass Uli Hoeneß nicht nur ein
    kapitalistischer Gewaltmensch ist. Sondern eben ein Mensch mit einem sehr
    großen Herz. Viele von uns müssen nun begreifen, dass auch ein solcher Mensch
    offenbar Fehler macht."


    So weit, so schlecht, so justitiabel. Aber, sagt Reif: "Die Debatte, die da
    jetzt geführt wird, nämlich ob Uli Hoeneß grundsätzlich noch mal ein Recht hat,
    ein Vorbild zu sein - die gefällt mir nicht, verstehen Sie? Hoeneß hat sich zu
    so derartig vielen Punkten vorbildlich verhalten, da könnten sich sehr viele
    sehr reiche Menschen in Deutschland was abschauen. Was seine Steuerschuld
    angeht, bin ich froh, dass wir eine Justiz haben. Und keine Volksjustiz. Wie
    die Lebensleistung von Uli Hoeneß mal bewertet werden wird, da verrate ich
    Ihnen was: Das werden Sie nicht entscheiden, das wird keine Talkshow
    entscheiden. Das wird neben Uli Hoeneß nur die Zeit entscheiden!"


    Über den Schmutz, der nun über ihm reinbricht, wird sich Uli Hoeneß nicht
    wundern. Doch gibt es da etwas, was ihn neben der großen, öffentlichen
    Schlachtung besonders anfasst: Dass jetzt über geheime Gelder des FC Bayern
    geraunt wird, einige Spinner raunen sogar von Drogengeld und anderem.


    Es wird in München auch spekuliert, ob Hoeneß nun verschwindet, untertaucht,
    womöglich in die USA, weit weg von allen Kameras und Objektiven, die sich am
    Wochenende schon auf seinem Grundstück am Tegernsee postierten. Aber Hoeneß
    bleibt.


    Und während die formale Hauptstadt Berlin nach einem mühevollen Sieg über
    Sandhausen froh ist, überhaupt wieder in der 1. Bundesliga spielen zu dürfen,
    gibt es in der Welttheatermetropole München nun - natürlich - das ganz große
    Drama: Uli Hoeneß wird auf der Tribüne sitzen am Dienstagabend, wenn der FC
    Bayern den FC Barcelona empfängt. Lionel Messi kommt, der Heilige des Balls.
    Als wäre dies nicht schon wahnsinnig genug. Doch werden die Kameras nicht nur
    den kleinen Argentinier suchen. Klar kommt er, sagt Uli Hoeneß, was für eine
    Frage!


    Er hat auch mitgeteilt, dass er als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender
    des FC Bayern nicht abzutreten gedenke. Darüber zu reden, sei jetzt nicht der
    richtige Zeitpunkt. Er will da durch.


    Wie nervös sie sind beim deutschen Rekordmeister, das ist am Montagmittag mit
    Händen zu greifen: Der Mediendirektor des Vereins kündigt den vielen
    internationalen Journalisten an, bei der Pressekonferenz mit Trainer Jupp
    Heynckes und Kapitän Philipp Lahm seien Fragen zur Causa Hoeneß unerwünscht.
    Andernfalls werde man den Termin abbrechen.


    Die Moral ist das eine.


    Alles andere lässt sich kurz und knapp gerade so zusammenfassen: Gut wäre ein
    Sieg gegen Barça.

    Also wenn der sich in dem Tempo weiterentwickelt... - ich will den Satz gar nicht zuende schreiben und es verschreien.
    Neben Badstuber der Lichtblick des Abends und die große Hoffnung auf bessere Zeiten.

    Denke er trifft die Sache allenfalls zu 30%.
    Natürlichlich gibt es im Zuge der medialen Kampagne diverse schmierige Typen, die vor allem Ihren Vorteuil im Auge haben (überhaupt fällt ja auf, daß ja - die wenigen wirklich erfolgreiechen- erfolgreichen Fußballer und Fußballmanager oft von Leuten umgeben sind, die wir nicht gerne als Freunde hätten...).
    Dennoch sollte man den positiven Aspekt der Debatte höher bewerten, wie der SZ-Artikel von heute herausstellt - der deshalb m.E. die Sache besser trifft.


    Rudi Assauer hat Alzheimer
    Mehr als eine Krankheit
    02.02.2012, 07:37


    Ein Kommentar von Charlotte Frank
    Der ehemalige Fußballmanager Rudi Assauer macht in seiner Autobiographie seine Alzheimer-Erkrankung öffentlich - und führt uns damit vor Augen, dass diese Krankheit jeden treffen kann. Das ist wichtig, denn die Gesellschaft ignoriert die Erkrankung, für die es bis heute kein Heilmittel gibt, noch immer. Aus Angst.


    Definiert man Männlichkeit einmal ganz klassisch, entlang der Ideale Fußball, Frauen und Zigarren, so war der Schalke-Manager Rudi Assauer Zeit seines öffentlichen Wirkens wohl das, was viele Deutsche unter einem "echten Mann" verstehen: Einer, der Kraft und Sportlichkeit ausstrahlte, der sich mit schönen Frauen umgab, der sein Macho-Image vor sich hertrug und verbal kräftig zulangen konnte. In dieses Bild passt kaum, was dieser Tage über Assauer zu lesen ist: Ausgerechnet er leidet unter Alzheimer.


    Darüber schreibt Assauer in seiner Autobiographie, die schon vor ihrem Erscheinen an diesem Donnerstag viel Aufsehen erregt hat - und das wohl weniger, weil sich die Deutschen plötzlich so sehr für einen alternden Fußballmanager interessieren, als deshalb, weil Assauers Drama ihnen in aller Härte vor Augen führt: Diese Krankheit kann jeden treffen. Selbst die ganz Starken, selbst die ganz Reichen. Niemand ist vor Alzheimer sicher. Und niemand weiß, wie man sich davor schützt.


    Deshalb schauen die Deutschen am liebsten weg von der Krankheit, wenden sich mit Gruseln ab - und wenn sie alle paar Jahre doch gezwungen werden hinzuschauen, weil ein Rudi Assauer erkrankt oder ein Gunter Sachs oder Walter Jens, dann reagieren sie schockiert - als wären nicht längst mehr als 1,3 Millionen Deutsche von Alzheimer und anderen Formen der Demenz betroffen; als wüsste nicht jeder, dass nur Hinschauen hilft, um diesen Menschen zu helfen.


    Doch zum Hinschauen reicht oft der Mut nicht: denn Alzheimer ist in der Wahrnehmung der Deutschen längst mehr als eine Krankheit. Es ist die Summe aller Horrorvorstellungen, die wir uns vom Alter ausmalen: eine Addition aus Hilfsbedürftigkeit, Einsamkeit und Windeln, aus Furcht davor, ohne Hose durchs Treppenhaus zu irren, davor, im eigenen Bett fixiert zu werden, davor, abhängig zu sein und ertragen statt geliebt zu werden. Alzheimer ist zu einem Synonym geworden für die Urangst, das Letzte zu verlieren, was uns im Leben bleibt: das eigene Ich.


    Und wie um diese Machtlosigkeit noch zu persiflieren, gibt es bis heute keine Arznei, die Alzheimer heilen könnte. Keine Impfung vermag die Krankheit zu verhindern, kein tägliches Kreuzworträtsel-Lösen oder Gehirnjogging. Heißt es am einen Tag, Vitamine seien die beste Vorbeugung, so wird am nächsten Tag möglichst viel Bewegung oder möglichst wenig Chemie als Mittel der Wahl gepriesen.


    Ignoranz in der Gesellschaft


    Doch dass auch nur eine dieser Empfehlungen Alzheimer wirklich abwendet oder auch nur verlangsamt, ist nicht belegt. Der Mensch ist ausgeliefert. Auf diesen ungewohnt primitiven Zustand reagiert die überversorgte Gesellschaft, die sich doch sonst auf dem Weg ins hohe Alter von der Natur nichts bieten lassen muss, so primitiv sie nur kann: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen.


    Verwirrte alte Menschen werden ins Heim abgeschoben oder der Obhut ihrer überforderten Angehörigen überlassen, die in Deutschland auf viel zu wenig Hilfe zählen können. Das ist empörend. Doch kaum einer empört sich. So war auch das Interesse mäßig, als im vergangenen Jahr mit viel Wirbel endlich Abhilfe angekündigt wurde: Nach Jahren des Stillstands, so rühmte sich das zuständige FDP-Gesundheitsministerium, wollte man dafür sorgen, die Dementen und ihre Familien endlich besserzustellen. Alles, was dann passierte, war ein lächerliches Feilschen, ein Verschieben und Verzögern. Zuetzt gab es ein paar lauwarme Versprechen. Die Erregung darüber fiel so mau aus wie die politischen Zusagen.


    Über so viel Ignoranz kann sich die Politik nur freuen, von der jeder Handlungsdruck genommen wird. Warum in so einem aufreibenden, teuren Bereich Augen, Ohren und Mund öffnen, wenn es die Wähler gar nicht einfordern? Warum aufklären, integrieren und endlich die Hunderttausenden Dementen als Normalität einer alternden Gesellschaft begreifen, wenn das doch keiner verlangt? Die Angst vor dem Schreckgespenst Alzheimer ist tragisch, denn sie verhindert nicht nur das Hinschauen und das Fordern - sondern auch das Wissenwollen: So gibt es bis heute keine einheitliche Definition, was die Krankheit Alzheimer ausmacht.


    Es gibt viel zu wenig Langzeitstudien, und keine systematische Sammlung aller Krankheitsfälle wie sie zum Beispiel das Krebsregister bietet. Dafür gibt es Fragen: Wer kann eigentlich genau erklären, wo die natürliche Grenze zwischen dem Verlauf von Alzheimer einerseits und dem normalen Alterungsprozess andererseits liegt? Wer kann erklären, was "geistiger Verfall" im Alter überhaupt meint? Wer kann erklären, warum sich ein Mensch wie Gunter Sachs das Leben nahm, nur weil er glaubte, an Alzheimer zu leiden?


    "Der Verlust der geistigen Kontrolle über mein Leben wäre ein würdeloser Zustand, dem ich mich entschlossen habe, entschieden entgegenzutreten", schrieb Sachs damals im Abschiedsbrief. Dass ein Mensch so fühlt, mag man verstehen - dass er mit seiner Krankheit und seiner Furcht in Deutschland so alleingelassen wird, hingegen nicht. Es ist menschlich, dass die Menschen so große Angst vor Alzheimer haben. Sie machen aber einen furchtbaren Fehler, wenn sie deshalb versuchen, Alzheimer zu vergessen.

    War eigentlich immer lustig mit ihm - irgendwie gehörte er dazu. Mögen ihm noch ein paar gute Jahre vergönnt sein. Ihm und vor allem dann auch seinen Angehörigen viel Kraft. Und uns allen eine gewinnbringende Diskussion über Demenz und den Umgang mit den Betroffenen - ein Thema das mehr Aufmerksamkeit und Wissen verdient.

    Haben wie uns ja schön blamiert - ich verlange, dass insbesondere das 3-0 jeder Spieler eine Woche lang jeden Abed vor dem Schlafengehen 10x guckt.
    Und welcher Idiot hat eigentlich kurz vor Schluß die Rakete (?) in den Block geschossen - oder kam das von Gladbacher Seite?

    DANKE!


    Das Problem wären noch nicht einmal die zwei Punkte gewesen - sondern eine Diskussion in der schnell vieles in Frage gestellt worden wäre (Hannover, Napoli mit Hänen und Würgen und dann auch noch Augsburg...), zumal jetzt Länderspielpause ist. Wird gegen DO schon mühsam genug.