Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge im großen tz-Interview
Karl-Heinz Rummenigge bricht sein Schweigen. Wochenlang hielt sich der Vorstands- Boss in der Öffentlichkeit zurück. Zu groß die Enttäschung über das kollektive Versagen seiner Belegschaft. In der tz redet Rummenigge jetzt Klartext – das große Interview:
Sie haben sich zuletzt äußert selten zu Wort gemeldet. Warum diese Zurückhaltung?
Rummenigge: Weil ich keine Lust habe auf Gerüchte und Spekulationen – oder darauf, irgendwelche Wasserstandsmeldungen abzugeben.
Aber selbst nach dem 0:2-Desaster in Stuttgart gab es von Ihnen nichts zu hören.
Rummenigge: Ich schlafe über jedes Spiel erst einmal eine Nacht. Manchmal macht es Sinn, die Mannschaft zu kritisieren, manchmal macht es keinen Sinn. Ich muss offen und ehrlich sagen: Nach dem Spiel in Stuttgart war ich stocksauer und geschockt, wir haben katastrophal gespielt. Dort hätten wir eine sicherlich nicht erfolgreiche Saison noch retten können – aber es nützt trotzdem nichts, da drauf zu hauen. Wir sprechen am Ende immer noch über die Spieler und damit Kapital des FC Bayern.
Haben Sie inzwischen schon eine Erklärung, wie die Saison so katastrophal verlaufen konnte?
Rummenigge: Man muss die ganze Saison Revue passieren lassen. Wir haben es einfach nicht geschafft, den Alltag zu bewältigen. Wie sonst sind Niederlagen in Bielefeld, Wolfsburg, Frankfurt, Aachen zu erklären? Wir haben ja fast gegen das ganze untere Tabellendrittel verloren. Da ist man mit zu wenig Motivation, Konzentration und nicht mit dem nötigen Willen herangegangen.
Am Samstag geht’s nach Cottbus. Wie kann man sich da noch motivieren?
Rummenigge: Es geht sportlich um nichts mehr. Aber es aber geht immernoch um das Image und das Erscheinungsbild des FC Bayern. Ich erwarte, dass die Spieler das wissen und mit dem notwendigen Willen auf den Platz gehen.
Werden Sie da auf das Auftreten bestimmter Spieler achten?
Rummenigge: Wir machen unsere Planung nicht von ein oder zwei Spielen abhängig. Da hat sich eine Meinung über das ganze Jahr gebildet. Ist die aktuelle Spielzeit eine verlorene Saison?
Rummenigge: Dass es keine erfolgreiche Saison war, ist klar – wir haben schließlich keine Titel geholt. Ich bewerte die Spielzeit unterschiedlich: International war es mit dem Erreichen des Viertelfinals Okay, es ist keine Schande gegen die beste Mannschaft Europas rauszufliegen. Was uns alle irritiert, ist, dass unser Mindestziel, der dritte Platz, nicht erreicht wurde. Das haben wir uns durch fahrlässiges Verhalten, speziell in den Auswärtsspielen, eingebrockt.
Auf dem Platz wurden zahlreiche Fehler gemacht – beim Vorstand auch?
Rummenigge: Wir haben ganz bewusst unseren jungen Spielern dieses Jahr eingeräumt, um sich zu beweisen. Diese Chance, das muss man klar und deutlich sagen, haben nicht viele genutzt.
Im „kicker“ kritisieren sie vor allem die deutschen Nationalspieler.
Rummenigge: Es müssen alle, wirklich alle Nationalspieler mehr bringen. Ein Philipp Lahm kann besser spielen, ein Schweinsteiger kann viel besser spielen und auch ein Lukas Podolski kann sicher mehr als vier Tore schießen.
Jetzt soll es den großen Umbruch mit Investitionen wie nie zuvor geben. Erleben Sie gerade Ihre anstrengendsten Tage beim FC Bayern?
Rummenigge: Nüchtern betrachtet gibt es hier seit Wochen kein anderes Thema mehr als den Transfermarkt. Wir arbeiten im Prinzip Tag und Nacht an der neuen Saison, an einem qualitativ guten und erfolgreichen Kader. Das ist ein ziemlich großer Umbruch, so etwas gab es vielleicht Anfang der 90er Jahre mal. Da kamen fünf neue Spieler. Aber das jetzt ist eine neue Dimension. Finanziell sowie von der Quantität und Qualität her.
Wie weit sind Sie mit den Planungen?
Rummenigge: Ich bin durchaus vorsichtig optimistisch, dass wir das hinkriegen, was wir uns vorgenommen haben. Es gibt viel Gerüchte, aber ich muss deutlich sagen: Wir haben Grund zum Optimismus.
Uli Hoeneß sprach bereits geheimnisvoll von vier Neuzugängen. Wann wird der vierte Transfer präsentiert?
Rummenigge: Für uns ist wichtig, dass die Fakten klar sind – und die Fakten sind in vielen Fällen klar. Nicht nur bei den Dreien, die wir bisher offiziell verkündet haben. Ich weiß nicht, ob wir nächste Woche einen Spieler bekannt geben oder drei in zwei Wochen. Wichtig ist nicht, was am 11., 12. oder 13. Mai ist, sondern dass wir zum Saisonstart am 8. August eine attraktive und gute spielende Mannschaft auf dem Platz haben.
Es ist immer wieder die Rede, dass auch Spieler suspendiert werden sollen. Müssen einzelne Profis tatsächlich um ihren Job zittern?
Rummenigge: Fakt ist: Der ein oder andere Spieler hat durch seinen Agenten schon mitteilen lassen, dass er darüber nachdenkt, den Klub zu verlassen, wenn wir auf bestimmten Positionen Spieler verpflichten. Wir sind nicht dafür bekannt, Spieler rauszuschmeißen. Aber ich muss offen und ehrlich sagen: Zuschauen werden wir bei gewissen Spielern auch nicht, dass sich irgendwann einmal hoffentlich etwas verbessert.
Diese Spieler haben Sie schon im Kopf?
Rummenigge: Diese Spieler haben wir im Hinterkopf, ja.
Aus der Welt geschafft ist zumindest der Streit mit Franz Beckenbauer. Wie lange hält der Frieden?
Rummenigge: Wir hatten dieses Gespräch am Montag, und ich hoffe, dass die Dinge, die dort besprochen wurden, nicht kurzfristig, sondern langfristig von Bestand sind. Es ist wichtig, dass wir unsere Probleme hausintern lösen und wir alle an einem Strang ziehen – und dieses Gefühl habe ich nach dem Gespräch.
INTERVIEW: TOBIAS ALTSCHÄFFL
/10.05.2007
http://www.tz-online.de/tzheute/art1061,294831.html