Teil 2
Wie gehen Sie damit um, der erste 100-Millionen-Transfer der Bundesliga zu sein?
Ich bin Bayern extrem dankbar, dass sie nie lockergelassen haben. Sie haben großes Vertrauen in meine Stärke. Ich will aber nicht zu sehr auf die Zahl schauen. Ich bin nun hier, auf dem Platz, in der Umkleide. Ich will helfen, Anführer sein, Tore schießen und auflegen. Die Ablöse habe ich dabei nicht im Kopf, das verändert nicht meine Herangehensweise.
Auffällig war bei Ihrer Vorstellungs-Pressekonferenz, dass Sie im Anzug erschienen. Wollten Sie damit dem Verein Ihren Respekt ausdrücken?
Es war ein großer Tag. Nicht nur für den FC Bayern, sondern genauso für mich. Welche bessere Gelegenheit gibt es, einen Anzug zu tragen? An jenem Tag war ich das erste Mal im Stadion, traf viele Menschen zum ersten Mal. Daher war es für mich absolut angemessen und die perfekte Gelegenheit, den Anzug aus dem Schrank zu holen.
Sie sind so etwas wie der englische Botschafter in der Bundesliga. Ist in der Premier League Jürgen Klopp der beste Botschafter, den wir Deutschen haben können?
Er ist ein fanatischer Trainer, einer der besten auf der Welt. Und ein super Typ. Ich habe das Gefühl: Er sagt, was er denkt. Ich respektiere ihn dafür sehr: Er hält seine Meinung nicht zurück und ist ein unglaublich erfolgreicher Trainer. Klopp trägt das Herz auf der Zunge. Für euch Journalisten muss er ein echter Volltreffer sein. Er wird alles tun, um Liverpool wieder an die Spitze zu führen. Ich verfolge das nun als Beobachter aus einer anderen Liga.
War es zu Beginn für Sie ungewohnt, einen so emotionalen Trainer wie Klopp an der Seitenlinie zu sehen?
Es war speziell. Anders als das, was wir in England kannten. Diese Art von Leidenschaft haben wir zuvor nicht wirklich an der Seitenlinie erlebt – genauso wie Klopps Offenheit in den Medien. Aber das braucht der Fußball doch, das sorgt dafür, dass der Sport Gesprächsstoff ist und bleibt. Ich mag Menschen, die ehrlich sind und ihre Meinung vertreten.
Wie schwer wird die Umstellung von England auf Deutschland für Sie?
Vielleicht kann mein Weg hierher eine Inspiration für jüngere Spieler sein, dasselbe zu tun und diesen Schritt zu wagen. Ich kann mich erinnern, wie David Beckham den Schritt von Manchester United zu Real Madrid gemacht hat. Ich war ein Kind und dachte mir: „Wow, was für eine unglaubliche Erfahrung.“ Vielleicht habe ich mir an Beckham ein Beispiel genommen: Ich wollte immer eine andere Liga, ein anderes Umfeld kennenlernen. Bisher läuft es hervorragend: auf und neben dem Platz. Wobei neben dem Platz nun etwas mehr Ruhe einkehren dürfte: Ich freue mich, wenn meine Frau und unsere vier Kinder aus London nach München kommen und wir in ein Haus ziehen. Das soll in den nächsten sechs Wochen passieren …
… und dann wird es auch Zeit für die Golf-Runde mit Thomas Müller?
Das haben wir fest vereinbart, ja. Ich hoffe, dass wir nächste Woche die Zeit dafür finden. Die Plätze sollen ja sehr nah und schön sein.
Ihr Handicap soll besser als das von Müller sein …
Das ist richtig. Aber er hat den Heimvorteil. Ich denke, wir könnten auf einem Level sein. (lacht)
Bayerischer als Müller geht es nicht – wie war Ihr erster Eindruck von ihm?
Ein super Typ, der sich von Beginn an sehr gut um mich gekümmert hat. Auf dem Platz macht er wirklich alles mit seinem Blick, seinem Kopf, diesem einzigartigen Gespür. Er hat schon so viele Spieler beim FC Bayern kommen und gehen sehen. Und trotzdem ist er mit seiner Offenheit sofort auf mich zugegangen. Er kann mit seiner Erfahrung das ganze Team pushen und ich freue mich, ihn besser kennenzulernen.
Es gibt die Diskussion, über Ihre Rolle: Sind Sie nun eine klassische Nummer 9 oder doch eine 10, ein Spielmacher?
Ich kann beides spielen. Als bei Tottenham Christian Eriksen und Dele Alli auf der Zehn gespielt haben, war ich auch dort mehr ein klassischer Neuner. Im System von Thomas Tuchel beim FC Bayern werde ich eine klare Nummer 9, also der Mittelstürmer sein. Aber ich liebe es auch, meine Mitspieler mit Pässen zu bedienen, so wie beim 1:0 in Bremen. Wenn ein Gegner Mann gegen Mann spielt, kann ich mich mehr ins Mittelfeld fallen lassen, um den Außenstürmern Platz zu geben.
Der FC Bayern ist ein Verein der klassischen Mittelstürmer. Die größte Legende ist Gerd Müller. Was wissen Sie über den „Bomber der Nation“?
Gerd Müller war einer der größten Stürmer, die es je gegeben hat. Ich habe mir von ihm viele Videos auf YouTube angeschaut und kenne einige seiner Rekorde. Aber ich werde die Geschichte dieser absoluten Stürmerlegende hier sicher noch besser kennenlernen. Ich bin hier jetzt ja an der Quelle für Nachforschungen. (lacht) Auch Robert Lewandowski habe ich schon als junger Spieler bewundert, er hat einen fantastischen Weg genommen und unglaubliche Rekorde aufgestellt. Ich will sein Level erreichen – und vielleicht sogar noch besser werden.
Lewandowski und Sie trafen sich einmal im Urlaub auf Mallorca.
Wir haben uns auf einem Sponsorentermin vor fünf, sechs Jahren kennengelernt, waren uns auf Anhieb sympathisch. Vor rund zwei Jahren sind wir uns dann zufällig auf Mallorca begegnet. Das war wirklich nett, wir hatten eine lockere Unterhaltung. Robert ist ein fantastischer Typ.
Lewandowski warnt bereits: Erwartet von Harry Kane am Anfang nicht so viele Tore, wie ich am Ende bei Bayern geschossen habe. Hat er recht?
Das wird die Zeit zeigen. Es hängt auch davon ab, wie die Saison läuft. Ich setze mir keine Marke für die Saison, eher von Monat zu Monat. Ich werde sicher Chancen in dieser Mannschaft bekommen. Davon will ich so viele wie möglich verwerten, Spiele gewinnen. Am liebsten natürlich schon am Sonntag gegen Augsburg.
Ein anderer großer Stürmer der Bayern-Geschichte ist einer Ihrer Bosse: Kennen Sie den 80er-Jahre-Song „Rummenigge, Rummenigge“?
Nein, nie davon gehört. Worum geht es?
Unter anderem um seine „sexy knees“, also seine erotischen Knie.
(lacht laut) Das muss ich mir anhören! Ich weiß, dass Karl-Heinz Rummenigge ein fantastischer Goalgetter war, zweimal Europas Fußballer des Jahres, Kapitän der deutschen Nationalmannschaft und einfach einer der besten Stürmer seiner Zeit.
Sie wollen in München unbedingt Trophäen gewinnen. Hand aufs Herz: Wie sehr ärgert es Sie, dass das in Ihrer Karriere bisher nicht der Fall war?
Das war Jahr für Jahr unser Ziel in Tottenham. Wir sind diesem Ziel sehr nah gekommen, hatten wirklich gute Jahre. Es war ein Jammer, dass wir es nie über die Ziellinie geschafft haben. Ich will jetzt um Meisterschaft, Pokal und Champions League kämpfen. Das wird mich als Spieler nach vorne bringen. Diese ersten Pokale zu gewinnen, ist für mich sehr wichtig. Ich hoffe, dass das schon in dieser Spielzeit der Fall sein wird.
War der Wechsel für Sie nun eine „Jetzt-oder-Nie“-Gelegenheit?
Das würde ich nicht sagen, nein. Ich weiß: Wenn man als Fußballer 30 Jahre alt wird, haben die Leute das Ende immer irgendwie im Hinterkopf. Ich würde aber gerne noch sieben, acht Jahre auf Top-Niveau spielen. Und am Beispiel von Cristiano Ronaldo, Lionel Messi, Karim Benzema oder Lewandowski sieht man: Es ist absolut möglich, im höheren Fußballer-Alter Topleistungen zu bringen. Die Entscheidung für den FC Bayern wurde nicht wegen Zeitdruck, sondern aus Überzeugung getroffen.
Das Champions-League-Finale 2024 findet in London, Wembley statt. Kein schlechter Termin …
Da haben Sie recht! Das wäre ein absoluter Traum, dieses Spiel in meiner Heimat zu absolvieren. Es sind noch einige Monate zu gehen bis dahin. Aber wir können mit unserer Mannschaft in der Champions League weit kommen.
Zur englischen Nationalmannschaft brachten Sie bei der EM 2021 Ihren Freund Ed Sheeran. Daher: Singt er für das Team des FC Bayern, wenn Sie einmal die Champions League holen?
Das muss ich Ed fragen! Es wäre auf jeden Fall eine schöne Sache. Er ist ein super Typ, der Fußball liebt. Ich bin mir sicher, dass er sich einmal ein Bayern-Spiel anguckt, wobei ich seinen Tourplan nicht genau kenne. Er kommt definitiv zur Euro 2024 nach Deutschland. Und was ich auch weiß: Ed befindet sich gerade in den USA und hat mich schon gefragt, wie er die Bundesliga empfangen kann. Er hat sich nun eine App besorgt, mit der er die Bayern-Spiele verfolgen kann.