Ich kann da ja nur von mir selbst sprechen, aber so plötzlich kam die Entwicklung für mich gar nicht. Ich war schon seit Hoffenheimer Tagen ein Fan von Nagelsmann und hätte ihn 2019 schon tausend Mal lieber als Kovac gehabt. Mir war aber immer bewusst, dass Nagelsmann nach Flick hier ein hartes Erbe antreten wird und das sehr wahrscheinlich nicht so souverän wie Pep seinerzeit nach Jupp meistern wird.
War auch ein Fan und teilte damals nicht die Bedenken von Hoeness, er sei zu jung / unerfahren. Sehe das heute ein bisschen anders. Nagelsmann ist sehr smart, artikuliert und eitel. Seine Eitelkeit könnte eine gewisse Schwäche sei sein. Ich finde z.Bsp. Pep und Tuchel in dieser Hinsicht moderater. Man darf ja nie vergessen, dass Nagelsmann im Alter einiger Spieler ist, aber deutlich weniger als diese verdient. Jupp kam als Grandsenieur und Champions League Sieger mit Real Madrid mit voller Rückendeckung durch die Chefs. Pep kam als der Übertrainer, von dem man nicht glaubte, er würde in die Bundesliga wechseln sondern gleich zu den teueren Scheich-Clubs. Carlo hatte auch den Ruf als extrem erfolgreicher Coach. (Aus ihm werde ich nicht schlau. ich glaube, er ist vor allem wegen der Sprache bei uns gescheitert, und weil er den nahtlosen System-Weg von vanGaal über Jupp zu Pep nicht fortsetzte, sondern einen anderen Stil - Lontern, Tannenbaum - spielen lassen wollte. Ich bin auch nicht sicher, ob Carlo nicht einfach Megadusel hatte, letzte Saison und einen Benzema in Drogba 2012-Manier.)
Ich hoffe sehr, dass De Ligt sehr bald und sehr schnell in so eine Rolle reinwachsen kann, denn Goretzka ist für mich maximal neben dem Platz ein Führungsspieler und auch Coman (von dem ich bekanntlich ein großer Fan bin), ist doch nur deswegen im Mannschaftsrat, weil er hier nach Müller/Neuer der dienstälteste FCB-Spieler ist.
Ich schrieb es schon gestern Abend, der Dominanz-Verlust fing schon vor Nagelsmann an - aber er ist alles andere als unschuldig oder gar hilflos an der Entwicklung.
DeLigt ist für mich DER überragende Neuzugang, auch als Persönlichkeit. deshalb hätte ich ja so gerne Frenkie deJong dazu, denn dann hätten wir auch im DM die Dominanz und Kreativität, die uns aktuell fehlt. Gravenberch-deJong-Musiala...das wäre ein magisches zentrales Dreieick. Aber es kommt ja der Gegenpressing-Conny...
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IDas Team ist in einem großen Umbruch. Nicht unbedingt qualitativ, aber auf jeden Fall in der Hierarchie. Für mich ist das aktuell komplett offen, ob Nagelsmann die sportlichen Ziele des FCBs auf Dauer verwirklichen kann.
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Ich hoffe nach wie vor, dass man sich Tuchel warm hält und er im Sommer übernehmen kann, wenn diese Saison wie die letzte endet...
Das mit dem Umbruch ist eindeutig, und das wird von den populistischen "schmeißt ihn raus"-Kritikern viel zu wenig berücksichtigt. Auch, dass wir aktuell noch recht gut dastehen. Was aber nach Frankfurt und PSG ganz anders aussehen kann. Und ich finde zwar das blöde Gucci-Gnabry Bashing und dieses Framing modeaffiner Spieler komplett blöd (...hallo, Netzer mit Sportwagen, Pelzmantel und eigener Diskothek? Wo war das anders?...). Aber ein bisschen was ist schon dran, dass einige Persönlichkeiten bei uns hinter Vorbildern wie Robben und Ribéry zurückbleiben, die auf dem Platz einfach immer Gas gegeben haben. Leroys Spielweise sieht leider oft unglücklich lässig aus. Dabei ist er Dank seines Talents ein wichtiger Spieler. Mit seinem Gehalt aber eben auch dort, wohin es die Lewandowskis und Neuers und Müllers erst nach vielen erfolgreichen Jahren geschafft haben. Die Konkurrenz durch die Scheich- und US-Milliardärsclubs lässt uns keine Wahl, als den Jungs schon früh riesige Gehälter zu zahlen. Die Verlängerungen von Goretzka und Gnabry haben sich so gesehen (noch) nicht ausgezahlt.
Meine Gefühlslage ist gerade so, dass ich zwar hoffe, dass Nagelsmann die Truppe hingebogen kriegt, wir in der Bundesliga wieder Siege in Folge einfahren und PSG rauswerfen. Aber wenn das nicht klappt, dann wünsche ich mir schnell Tuchel. Einfach, weil das ein fachlich Superklasse Trainer ist und ich überzeugt bin, dass er sowohl die Persönlichkeit als auch die Autorität hat, um mit der Situation souverän umzugehen. Und weil ich glaube, dass er - ähnlich wie bei Chelsea - das Ruder sofort rumreißen und einen taktisch klar erkennbaren Dominanz-Stil spielen lassen würde, der an die Zeiten von Jupp und Pep (so unterschiedlich sie gewesen sein mögen, aber in Sachen Stellungsspiel und Passgenauigkeit waren sie ähnlich) anküpft. Und ich fürchte, das Tuchel Fenster ist nicht mehr lange offen. Ich glaube, er könnte Real Madrid übernehmen. Was wiederum Mbappés Wechsel dorthin förderlich sein könnte, der große Stücke auf Tuchel hält. Und die Brazzo-BadWiessee-Connection wird lange an Nagelsmann festhalten; für die ist Tuchel vermutlich sowieso ein rotes Tuch...