Die „Süddeutsche“ hat dazu einen - wie ich finde - guten, pointierten und witzig geschriebenen Artikel veröffentlicht. Ich hatte einen Tageszugang gekauft und habe ihn mal ‚rauskopiert:
Der Machtkampf ist eröffnet
21. April 2023, 16:30 Uhr
Lesezeit: 2 min
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Oliver Kahn, einst standhafter Titan, wackelt als CEO des FC Bayern überraschend früh in seiner Amtszeit.
(Foto: Kevin Voigt/Jan Huebner/Imago)
Der Rekordmeister wirkt auf so vielen Ebenen zerrupft, orientierungslos und getrieben wie lange nicht. Nun steht Vorstandschef Oliver Kahn zur Disposition - und das Misstrauen im ganzen Verein nimmt zu.
Kommentar von Claudio Catuogno
Die Frage, ob an der Säbener Straße nur das Worst-Case-Szenario oder bereits das Wurst-Case-Szenario eingetreten ist, stellte sich dann in der Nacht zum Freitag, als die Bild auf der Suche nach Kandidaten für eine "mögliche Kahn-Nachfolge" ein "irres Gerücht um Hoeneß-Sohn" in die Welt setzte: Angeblich denke Uli Hoeneß darüber nach, seinen Sohn Florian als CEO des FC Bayern zu installieren. Echt jetzt?
Nun ist Florian Hoeneß tatsächlich ein erfolgreicher Firmenlenker: Mit Geschick führt er das Hoeneß'sche Familienunternehmen HoWe Wurstwaren KG. Und letztlich ist ja auch der FC Bayern ein Hoeneß'sches Familienunternehmen - da darf man über solche Dinge schon mal nachdenken, oder besser: angeblich nachdenken! Tatsächlich nachgedacht hat Hoeneß dem Vernehmen nach darüber nicht. Bei genauerem Hinsehen wäre so ein Plan ja tatsächlich irre: Erstens muss ein Bayern-CEO einen komplexen Kader abmischen, da braucht es fußballspezifische Spezialkenntnisse, nicht nur Brät, Pfeffer und Majoran. Und zweitens, zumal aus Hoeneß' Perspektive: Gibt es nicht eh schon zu viele Würste an der Säbener Straße?
Hach, der FC Bayern, dieser ewige Salamiverein. Scheibchen für Scheibchen füttert er weiter die Nachrichtenlage, auch vier Wochen nachdem er seinen Trainer Julian Nagelsmann, obwohl der eigentlich noch frisch war, humorlos entsorgt hat - und stattdessen Thomas Tuchel in die Auslage legte. Natürlich sollte man nicht jedes "irre Gerücht" für eine Tatsache halten. Aber erstaunlich ist es schon, wie selbstverständlich jetzt bereits der mögliche Kahn-Nachfolger gesucht wird.
Eigentlich galt der ehemalige Weiter-immer-weiter-Welttorhüter doch als vermeintliche Ideallösung an der Bayern-Spitze, nachdem man im Hoeneß/Rummenigge-Kosmos mit keinem Nerlinger und keinem Sammer dauerhaft glücklich wurde (und den Job keinem Lahm zugetraut hat). Kahn, dessen Blick als Unternehmer inzwischen weiter reicht als nur bis zur Rasenkante, Kahn, der als ZDF-Experte zum Kommunikationsprofi gereift ist: Das Erbe erschien endlich geregelt. Und nun? Wackelt der Titan! Die Frage scheint nur noch zu sein, wann er gehen muss. Im Sommer? Sofort?
Schon länger hat sich bei manchen der Eindruck verfestigt, dass sich der CEO Kahn am "Mia san mia" versündigt
Dass in den Etagen ganz oben über Kahn geredet wird, ist jedenfalls alles andere als ein Gerücht: Schon länger hat sich dort der Eindruck verfestigt, dass sich der CEO am "Mia san mia" versündigt. Die Außendarstellung: durchgehend bescheiden. Das Betriebsklima: kühl bis aseptisch. Und nun rumpelt auch noch die Mannschaft. Doch selbst wenn der Bayern-Apparat ein paar Interimsgeschäftsführer hergäbe (Präsident Herbert Hainer ist ehemaliger Adidas-CEO): Es wäre wohl töricht, jetzt jenen Mann zu opfern, der gerade erst all-in gegangen ist, um Thomas Tuchel zu bekommen. Eindrucksvoller könnte man den neuen Spitzentrainer ja gar nicht zu einer Portion Leberkäse degradieren, als wenn durch einen sofortigen Kahn-Abschied der Eindruck erweckt würde, der Aufsichtsrat missbillige die Tuchel-Verpflichtung. Kahn muss also noch eine Weile durchhalten, was die Gerüchtesalami weiter antreiben wird.
Wobei dann auch diese Frage angebracht wäre: Wieso nur Kahn? Es mutet längst grotesk an, wie die Bild erst wochenlang Nagelsmann weidwund schoss, um nun Schlagzeile um Schlagzeile gegen Kahn zu feuern - und dabei konsequent Sportvorstand Hasan Salihamidzic verschont, der dem Organigramm zufolge ebenfalls Verantwortung trägt. Und dessen Außendarstellung auch von niemandem gelobt wird.
Der Machtkampf ist also eröffnet. Hoeneß, Hainer, Kahn, Salihamidzic, die Bild, alle sammeln ihre Truppen. Das Misstrauen nimmt zu, und jedes durchgesteckte Gerüchtle hat ein Geschmäckle - das des Vertrauensbruchs. Der FC Bayern ist weiterhin Tabellenerster in der Bundesliga, aber er steht auf so vielen Ebenen zerrupft, orientierungslos und getrieben da wie seit mehr als zehn Jahren nicht. Es ist tatsächlich: irre.
Irgendwie erinnert mich das ganze Geschehen gerade ganz fatal an den FC Barcelona, nachdem die Bayern da drübergerollt waren wie ein Tsunami über eine Sandburg: Da blieb auch kein Stein auf dem anderen.
Und das gefällt mir gerade gar nicht.