Ich finde auch eigentlich nicht, dass wir übervorsichtig sind. Im Grunde führen wir hier nur das gewissenhafte Wirtschaften der letzten Jahrzehnte fort und gehen kein großes Risiko. Und groß ist das Risiko derzeit automatisch, weil keiner ernsthaft sagen kann, wo die Welt in 12 Monaten steht. Ist halt in der Realität alles nicht so einfach wie in der Theorie.
Übervorsichtig ist das falsche Wort. Geld ausgegeben haben wir ja. Die Frage ist aber, braucht es einen Upamecano, den ich als großes Talent sehe, für 40 Millionen, wenn ich auch mit Boateng verlängern kann? Aber hier waren es halt persönliche Gründe gewisser Herren, die das Aus von Boateng besiegelt haben. Gleichzeitig wurden noch Millionen in einen neuen Trainer investiert. War das nötig? Es ist mir zu einfach, dass nur auf Flick und den DFB zu schieben. Als Verein, dessen Verantwortliche sonst keine Gelegenheit auslassen, um auf dicke Hose zu machen, haben wir uns hier ganz schön ausnehmen lassen. Wenn ich so sparen muss, dann kann ich halt Upamecano nicht kaufen, verlängere mit Boateng und kaufe stattdessen einen RV oder ZM.
Da sind halt mal 50-60 Millionen vom Budget weg, die es gar nicht zwingend gebraucht hätte. Angeblich will man sich mit Adli ja den nächsten Spieler ins Haus holen, bei dem ich nicht im Ansatz ne sportliche Perspektive sehe. Gelernt hat man aus Sarr und Roca scheinbar nicht.
Aber gezögert wird dann bei Sabitzer, bei einem RV und bei der ein oder anderen Verlängerung.
Agieren wir insgesamt zu vorsichtig? Nein. Ich finde, wir agieren an manchen Stellen schlicht und ergreifend falsch, weil persönliche Eitelkeiten schwerer wiegen oder man mit dem Kopf durch die Wand will. Es muss jetzt auf Teufel komm raus, auf die Jugend gesetzt werden, weil das NLZ teuer genug war. Dass die Spieler dafür gar nicht in der Pipeline sind, ist zweitranging. Nagelsmann wird's schon richten, wenn man Uli im DoPa zugehört hat.
Wir haben doch auch in den vergangenen Jahren immer wunderbar viel Steuern an Vater Staat abgedrückt, anstatt ein, zwei junge Spieler zu holen, die man im Zweifelsfall halt nur als Geldanlage sieht. Wenn es gut läuft, setzen sie sich durch, wenn nicht, verkauft man sie am Ende wieder ohne Verlust und in der Zwischenzeit hat der Trainer mehr Optionen. Aber auch das wollte man ja nie, weil man Unruhe im Kader fürchtete.
Man kann sicher für jede einzelne Entscheidung, die hier in den letzten Jahren getroffen worden ist, eine Begründung finden, aber in der Gesamtheit ist das für mich einfach eine Schieflage. Und uns fällt es eben jetzt in einer brisanten Phase auf die Füße, weil man einige Fehler bereits in der Vergangenheit gemacht hat. Wir kommen halt gar nicht mehr hinterher, gewisse Baustellen zu schließen, weil sich diese inzwischen jedes Jahr mehr öffnen als dass wir sie bearbeitet bekommen. Wie schon gesagt wurde, ist doch die Verkleinerung des Kaders keine Erfindung von Corona. Das gab es schon unter Cleansman. Wir reden uns im Verein die Situation im Kader jedes Jahr schön, weil man glaubt, dass die bestehende Qualität schon noch ein Jahr reichen werde. Dann folgt wie jedes Jahr in der Vorbereitung das böse Erwachen, weil Spieler sich verletzen und dann setzt Panik ein. Dieses Szenario wiederholt sich hier seitdem ich Bayernfan bin und das sind fast 30 Jahre.
Das ist für mich eben keine voraus schauende Planung. Das ist geiz ist geil-Mentalität, die man gelegentlich durchbricht, wenn man sich auf ein bestimmtes neues Spielzeug versteift hat, auch wenn es bessere Modelle gibt. Weder hat es Hernandez, Sané oder Upamecano zu dem jeweiligen Zeitpunkt für die jeweilige Summe gebraucht. Aber man wollte es halt. Und dann geht an anderer Stelle nichts mehr. Corona verschärft all das, keine Frage.
Der Verein ist aber gefragt, hier Lösungen zu finden, die auch mal nachhaltig sind und nicht immer nur von einer Übergangslösung zur nächsten zu marschieren. Das kostet uns doch am Ende viel mehr Geld und vor allem Nerven.