Ich habe mich seit 2014 schrittweise von der Nationalmannschaft entfernt. 2016 war ich noch mit einiger Begeisterung dabei, auch das Vorrundenaus 2018 hat mich noch massiv geärgert, aber seitdem herrscht bei mir eine Gleichgültigkeit, die ich mir nicht zugetraut hätte. Am Samstag konnte ich das Spiel gegen die Türkei nicht gucken, habe mich um 21 Uhr sogar noch über den Zwischenstand informiert und danach bis 23 Uhr (!) völlig vergessen, dass wir gespielt haben. Das war für mich überhaupt kein Thema und ich bin ehrlich: Das hat mich erschrocken. Was ist passiert in meinem persönlichen Verhältnis zur Nationalmannschaft? Ich kann es nicht benennen, aber es geht vielen Leuten aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis genauso. Irgendetwas ist da in Schieflage geraten, irgendwo hat der DFB oder hat die Mannschaft den Kontakt zu den Fans verloren oder umgekehrt.
Lange Rede, kurzer Sinn: Gestern habe ich mich wachgehalten und wollte dieses Spiel unbedingt sehen, um mitreden zu können. Was ich gesehen habe, erschüttert mich und was ich teilweise dazu gelesen habe, kann ich nicht nachvollziehen. Geht mir weg mit den satten Millionären, fehlendem Nationalstolz oder der Parallele, die zwischen der Gesellschaft und der Nationalmannschaft gezogen wird. Ich halte das für Quatsch. Ich glaube, wir haben ein Qualitätsproblem in der Mannschaft, beginnend auf den defensiven Außenbahnen (auch wenn das Verteidigertalent Kai Havertz hier zu seinen ersten Einsätzen kam, Haha!), weitergehend über die Unwucht im defensiven Mittelfeld, die wir auch beim FC Bayern erleben (da allerdings aktuell taktisch besser kompensiert) und endend beim fehlenden Stoßstürmer, den Füllkrug aktuell spielt. Ich möchte dem Spieler und dem Menschen wirklich nicht zu nahe treten, aber das ist dann eben auch ein Hinweis auf fehlende Qualität.
Das alles wird getoppt von der Trainerhistorie: Löw hat viel zu lange an seinem Job festgehalten, Flick hat die Defensive nicht strukturiert bekommen und mit Nagelsmann sieht man dahingehend auch keinen neuen Impuls zu einer pragmatischen Herangehensweise. Es kann dann eben so nicht funktionieren. Das Gebilde kann so nur bröckeln. Wie einfach konnte Österreich gestern zu gefährlichen Situationen kommen? Ein langer Ball hinter die Abwehr, schon fackelt es. Das geht nicht. Hat mit nichts etwas zu tun außer mit fehlender Abstimmung und am Ende vielleicht mit fehlender Qualität. Wenn aber über viele, viele Jahre auf derartige Dinge kein Wert gelegt wird - wo soll die Abstimmung herkommen?
Ich bin dann gestern sogar noch bis zum Nagelsmann-Interview wachgeblieben, weil ich das unbedingt mitnehmen wollte. Tja. Vier Spiele, ein Sieg, ein Trainer ohne Plan. Er weiß nicht weiter. Ich kann das Gesabbel über Emotion einfach nicht mehr hören. Es führt weg vom Kern des Problems und kann entsprechend auch keine Lösung sein.